Eine Hauptaufgabe ist, junge Menschen einzubeziehen

Planungen seit 2001: Gespräch mit der Geschäftsführerin und dem Vorsitzenden der Gedenkstättenstiftung

Von Carsten van Bevern
Meppen. 2001 übernahm der Landkreis Emsland das Gelände des ehemaligen Konzentrations- und Strafgefangenenlagers Esterwegen, um hier die zentrale Gedenkstätte für die 15 Emslandlager einzurichten. Zum 75. Jahrestag des KZ-Errichtung nahm gestern die Gedenkstättenstiftung offiziell ihre Arbeit auf und zur Zukunft äußerten sich die Geschäftsführerin Dr. Andrea Kaltofen und der Vorstandsvorsitzende Hermann Bröring.

Auf dem Gelände ehemaliger Emslandlager wird Landwirtschaft betrieben, befindet sich die Ortschaft Neugnadenfeld oder eine Justizvollzugsanstalt. Was bewog den Landkreis 2001, gerade in Esterwegen eine Gedenkstätte einzurichten?
Bröring: Es gab schon vorher Überlegungen auf einem ehemaligen Gelände eines Emslandlagers eine Gedenkstätte zu errichten. So war es selbstverständlich, dass der Landkreis, als bekannt wurde, dass die Bundeswehr das Gelände in Esterwegen veräußern wolle, seine Chance genutzt hat, um hier eine Gedenkstätte einzurichten.
Kaltofen: Der inhaltliche Grund für die Errichtung einer zentralen Gedenkstätte an diesem Ort ist vielschichtig: Zum einen liegt er in der Geschichte der drei frühen Konzentrationslager im Emsland in Börgermoor, Neusustrum und Esterwegen, die für die Anfangsphase der Verfolgung im NS-System von exemplarischer Bedeutung sind als erste vom Preußischen Staat als Muster-Barackenlager neu errichtete KZ. Ihre Intention war die Rache an den politischen Gegnern, und ich möchte aus der Vielzahl der Häftlinge, darunter viele Politiker aus dem Reichstag um dem Preußischen Landtag, Intellektuelle und Künster hier nur zwei nennen: Carl von Ossietzky als Friedensnobelpreisträger und Wolfgang Langhoff, der mit seinem Buch über die Moorsoldaten das gleichnamige Lied weltberühmt gemacht hat. Dieses ist auf den Tag genau vor 75 Jahren, am 27. August 1933, erstmals gesungen worden. Daneben steht die Geschichte der sieben Strafgefangenenlager im nördlichen Emsland ab 1934 und der weiteren acht als Kriegsgefangenenlager genutzten Lager im südlichen Emsland und der Grafschaft Bentheim. Dies rechtfertigt die Errichtung einer Gedenkstätte an diesem Ort, dessen Name bis Yad Vashem als Synonym für die Emslandlager und ihre Schrecken als "Hölle im Moor" steht.

Wie bewerten Sie den bisherigen Verlauf zur Einrichtung der Gedenkstätte
Bröring: Wir haben mit der Übernahme des Geländes absichtsvoll einen "Prozess" in Gang gesetzt, der behutsam zu einem Gedenkstättenkonzept geführt hat. In Workcamps haben wir die Überreste der Lagerbebauung freigelegt. Studierende der Universitäten Hannover, Haifa und Clemson (USA) haben uns erste Eckpunkte für eine Landschaftsgestaltung erarbeitet. In einem Expertengremium haben wir dann 2007 den Entwurf des Hamburger/Berliner Architekturbüros Krafft-Wehberg als künftiges Gestaltungskonzept ausgewählt. Wir haben den bisherigen Aufbauprozess in der Öffentlichkeit diskutiert. Es besteht gesellschaftlicher Konsens über das Projekt, und darüber bins ich besonders froh, denn nur wenn die Bevölkerung die Gedenkstätte mitträgt, wird sie erfolgreich arbeiten können. Der Bund hat dem Vorhaben jetzt auch nationale und internationale Bedeutung zuerkannt.

75 Jahre nach Errichtung des ersten Emslandlagers wird nun die Gedenkstättenstiftung offiziell ihre Arbeit aufnehmen. Werden wir zum 80-jährigen Gedenktag die Einweihung der Gedenkstätte erleben können?
Bröring: Das hoffe ich. Wir gehen von einer mindestens dreijährigen Umsetzungsphase aus, dann sollten wir 2013 fertig sein.

Wie sehen die weiteren Planungsschritte aus?
Bröring: Der Aufbau einer Gedenkstätte kostet Geld. Geld, das der Landkreis Emsland alleine nicht aufbringen kann. Deshalb haben wir bei Bund und Land Förderanträge gestellt. Sobald die Finanzierung gesichert ist, werden wir in einem ersten Bauabschnitt das vom Kreistag verabschiedete Konzept zur Außengestaltung umsetzen. In weiteren Abschnitten sollen die baulichen Maßnahmen für ein Besucherzentrum durchgeführt und in einer der Hallen eine moderne Ausstellung aufgebaut werden.

Schon bald werden ehemals in den Lagern Inhaftierte über ihre Erlebnisse nicht mehr berichten können. Gerade solche Begegnungen haben jugendliche Workcampteilnehmer und Besucher immer am meisten bewegt. Was sehen Sie daher als Hauptaufgabe der Gedenkstätte Esterwegen?
Kaltofen: Von Anfang an haben wir eine Hauptaufgabe darin gesehen, junge Menschen einzubeziehen. Die Workcampteilnehmer haben ihre Arbeit einhellig als hervorragenden Geschichtsunterricht und als wichtig für ihre Persönlichkeitsbildung verstanden. Sie haben verstanden, dass sie als die Entscheidungsträger von morgen ihren eigenen Beitrag zum friedlichen Miteinander der Völker leisten können. Diese politische Bildung, den Gedanken der Toleranz und Menschlichkeit werden wir in der Gedenkstätte weiterverfolgen, an den passenden Konzepten arbeiten wir.

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