Auf den Spuren der Moorsoldaten

Im ehemaligen Konzentrationslager Esterwegen waren junge Leute auf Spurensuche

Von Holger Keller. An diesem Vormittag brennt die Sonne besonders unerbittlich. Nur ab und zu weht ein erfrischender Windstoß über das Gelände, auf dem sich zur Zeit des Nationalsozialismus ein Konzentrations- und Strafgefangenenlager befand. Die Teilnehmer am einwöchigen Workcamp "Spurensuche" sind mit intensiven Ausgrabungsarbeiten beschäftigt. Fachkundig angeleitet werden die Hobby-Archäologen von Falk Näth von der Universität Marburg, der mit dem Fortschreiten der Spurensuche "super zufrieden" ist. Die Gruppe sei sehr engagiert und aufgeschlossen, das Teamwork funtioniere sehr gut, ebenso sei die Beobachtunsgabe ausgeprägt: "Ihr seid schon fast eine Profi-Mannschaft", lobt er seine Crew, aus der sich mit einem Lachen pompt Widerspruch meldet: "Wieso fast?"

Gemeinsamer Veranstalter des Workcamps sind das Diözesan-Jugendamt des Bistums, der Diözesanverband der Christlichen ArbeiterInnenjugend (CAJ) und das Kulturamt des Landkreises Emsland. Anhand der früheren Kanalisation und der Fundamente sollen die genauen Standorte der Gefangenenbaracken ermittelt, zudem die alte Lagerstraße wieder freigeleft werden. Wichtige HInweise bekommen die 17 Teilnehmer durch Lagerskizzen und Fotos der damlagen Zeit sowie Erdverfärbungen. "Die Lage der Tischlerei ist nicht übereinstimmend mit den Planskizzen vom Sommer 1933", hat die Gruppe bei ihren "Ermittlungen" bereits festgestellt.

Bei den praktischen Arbeiten sind die Teilnehmer in drei kleinere Gruppen aufgeteilt: Die eine führt mit Grabungen und Abtragungen die ersten groben Arbeiten durch, die zweite sucht nach Gegenständen und katalogisiert sie. Gefunden wurden zum Beispiel Patronenhülsen, Löffel oder eine Creme-Dose. Die dritte Gruppe legt genaue Positionen mittels Planquadraten in einer Karte fest. Vier Tage sind für diesen Praxisteil vorgesehen, in denen von jeweils 9.30 bis 16.00 Uhr, unterbrochen von einer kurzen Mittagspause, gemeinsam gearbeitet wird. Anschließend ist Freizeit, bevor es am Abend mit dem Programm weitergeht.
Vor dem Beginn der Ausgrabungen wurden die engagierten Workcamper zu den historischen HIntergründen informiert: Ein Besuch im Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) in Papenburg und eine Fahrt zu verschiedenen Emslandlagern (Aschendorfermoor, Neusustrum, Börgermoor). Ebenso ging es ins ehemalige Durchgangslager Westerbork in den Niederlanden. Kreisarchivar Heiner Schüpp hielt einen Vortrag zur politischen Situation im Emsland zwischen 1933 und 1945. Angeregte Diskussionen um ein angemessenes Symbol für das Lager Esterwegen standen ebenso auf dem Programm wie verschiedene Filme (Zug des Lebens, Das Leben ist schön) oder Gespräche über vermeintliche Reaktionen der damaligen einheimischen Bevölkerung.

Gregor Gierlich, Diözesansekretär bei der CAJ, gräbt mit einem Spaten an der ehemaligen Häftlingstischlerei, die sich in der äußersten Ecke des Lagers befunden hat. Für ihn sei es wichtig, gesellschaftspolitisch Verantwortung zu übernehmen und Profil zu zeigen, sagt der 36-Jährige. Er lobt die Teilnehmer, die sich motiviert und sensibilisiert zeigten und sich extra freigenommen hätten.
Der 16-jährige Frederick Fischer aus Bawinkel interessiert sich für Geschichte im Allgmeinen und will Genaues über die Emslandlager erfahren. Er ist erstaunt über die vielen unerwarteten Funde, die ihn gleichzeitig zum Weitermachen anspornen. Der Realschüler findet lobende Worte für die Organisation und insbesondere für die Malteser, die sich um die Verpflegung der Campteilnehmer kümmern.

Jürgen Adam, der in Esterwegen wohnt und mit der Geschichte vertraut ist, begrüßt die Veranstlautung mit einem Wort: "heftig". Der 53-jährige Lehrer hofft, dass das Workcamp auch in Zukunft fortgesetzt wird. (...) Michael Strodt, geistlicher Begleiter der CAJ, hält es für wichtig, dass es vor dem Praxis-Teil Infoveranstaltungen gab. "Mithilfe von Gegenständen lassen sich Schicksale leichter verbinden", sagt der 38-Jährige. Dabei gehe es aber darum, keine "banale Betroffenheit" zu konstruieren, sondern für ein schwieriges Thema sensibel und somit Geschichte begreifbar zu machen.

aus: Kirchenbote für das Bistum Osnabrück am 3. August 2003

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Jeden 1. Sonntag im Monat, jeweils um 11 Uhr und 15 Uhr.