Relikte statt Rekonstruktion

Zwei Entwürfe mit Stärken und Schwächen für die Gedenkstätte Esterwegen

Von Christian Geers.
Esterwegen. Längst hat sich die Natur die ehemalige "Hölle am Waldesrand" zurückerobert. Der Schatten der Bäume fällt auf die Stellen, an denen einst Baracken standen, in denen Häftlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen lebten. Sattes Grün überwuchert das Gelände. Nur hin und wieder sind Reste von Fundamenten im Erdboden auszumachen. Und die einstige Lagerstraße, an der zu beiden Seiten die Baracken angeordnet waren, führt schnurgerade durch die unterschiedlichen Lagerbereiche. Unter einer Betonschicht verbirgt sich das Pflaster, auf dem die Inhaftierten einst antreten mussten und Misshandlungen ausgesetzt waren.

Jeweils 20 Minuten Zeit haben die Vertreter der beiden Planungsbüros, als sie wenige hundert Meter entfernt in der kühlen Bundeswehrhalle ihre Konzepte erläutern. Für den "Krafft"-Entwurf (WES & Partner) ist die Lagerstraße eine Achse, die Verbindung zwischen dem ehemaligen Lagergelände vorbei an den Bundeswehrdepots, die er zum Eingangsbereich machen will, und die schließlich nördlich ins Moor führt, eine andere. Beide sind Grundlage dieses Entwurfes, mit dem die Weite der Landschaft verdeutlicht werden soll. Nur dort, wo die Baracken standen, ragen hochgeschnittene und ausgeastete Bäume in den Himmel. Die frühere Mauer wird durch Eckpunkte interpretiert. Und die neue Achse, die ins Moor reicht, soll zu einem "Ort der Stille" führen. Anders sieht der Entwurf der Arbeitsgemeinschaft Bennis-Lohrberg aus. Dessen Planer möchten drei Orte auf dem Gelände schaffen, die etwas über die Geschichte erzählen: Der Eingangsbereich mit Ausstellung und Dokumentation, das Gelände des Strafgefangenenlagers und das westlich davon gelegene "Erinnerungsfeld Emslandlager", eine Fläche, auf der 15 Betonstelen stellvertretend für alle Lager im Emsland stehen. Um die Standorte der ehemaligen Baracken hervorzuheben, schlagen die Planer vor, die Konturen mit Schotter oder geschreddertem Beton zu markieren. An einer Stelle ist dagegen der Bau eine Beton-Monoliths geplant, ein Raum ohne Türen und Fenster, der nur dazu dienen soll, den Besuchern die Größe einer Baracke zu verdeutlichen. Um die Umfassung des Lagers anzudeuten, wird im Entwurf von Bennis-Lohrberg ein 70 Zentimeter breites Stahlband verwendet.

Nach einer guten Stunde steht für die Anwesenden fest: Jeder Entwurf hat seine Stärken und seine Schwächen. Neu aufgeworfen wird auch die Frage, ob nicht doch die Rekonstruktion einer Lagerbaracke möglich sein sollte - der Akzeptanz aus der Bevölkerung wegen. Für Prof. Dr. Bernd Faulenbach, Mitglied der Expertenkommission, kommt das nicht infrage. "Die Vorstellung, dass man etwas simulieren könnte, scheitert", sagt der Hochschullehrer aus Bochum. Auch Experte Dr. Peter Fischer stimmte ihm zu. "Die Rekonstruktion als Nachinszenierung hat sich für viele Gedenkstätten als ungünstig herausgestellt."

aus: Sonntags-Report vom 27.05.2007

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